Ergänzung und traurige Chronistenpflicht: Beim damaligen Besuch wusste ich noch nicht, dass es wohl der letzte gewesen ist. Nach langen, wirschaftlich sehr schwierigen Jahren zwischen Hoffnung und Bangen gehen die Lichter im Mai 2018 endgültig aus. Papierfabrik Scheufelen, 1855 - 2018. Den bis zum Schluss beschäftigten, rund 340 Arbeitnehmern, wünsche ich alles Gute!
Dann kam der Hoffnungsschimmer: Die neue "Scheufelen GmbH" ging mit rund 100 Mitarbeitern an den Start, mit Graspapier als Alternative zu den reinen Zellstoff-produkten. Doch der Markt war noch nicht in der benötigten Menge aufnahmebereit. Im Febraur 2019 erfolgte die erneute Anmeldung der Insolvenz.
Vor dem Eingang in den altehrwürdigen
Verwaltungsbau der Papierfabrik Scheufelen GmbH & Co. KG, in Ober- lenningen, in einem kleinen Park direkt am Bahnhof gelegen, steht er, der Phönix, auf seinem Sockel.
Der Phönix ist ein mythischer Vogel, der am Ende seines Lebenszyklus verbrennt, um aus seiner Asche wieder neu zu erstehen. Bei Scheufelen ist er als Wappen-
tier seit 1895 im Firmenlogo, und somit
auf jeder gelieferten Palette, auf jedem Ries abgebildet, auch wenn sich seine Gestaltung im laufe der Jahre verändert hat. // Premium White since 1855 -
das ist der Claim, das Markenversprechen von Scheufelen. 1855 pachtet Carl Scheufelen die Oberlenninger Papier-mühle, die Geschichte der Papierfabrik Scheufelen beginnt...
Einen Link zur ausführlichen Firmengeschichte finden Sie hier.
Die Prinzipien der Papierherstellung haben sich in den letzten rund 2.000 Jahren nicht wesentlich verändert, die Produktionsweise schon. Schon seit 1390 wird nachweislich in Deutschland Papier produziert.
1876 wurde bei Scheufelen eine Langsiebmaschine installiert, 1892 wurde "Kunst-druckpapier" hergestellt und vertrieben. Kunstdruckpapier ist auch heute noch die Oberklasse des im Handel verfügbaren Papiers. 1903 wurde die PM 02 aufgestellt.
Für mich ist diese Maschine ein funktionstüchtiges Industriedenkmal, und ich durfte sie fotografieren, was ich als Privileg empfinde, und wofür ich dankbar bin.
Auch wenn ich in meinem Berufsleben schon mehrfach in Papierfabriken war, eine gewisse Ehrfucht ist immer dabei, wenn es in den Bereich der alten Maschinen geht.
... bei der Bearbeitung könnte man glauben, eine Fotografie aus der Zeit um 1900 vor sich zu haben, die auf der langen Reise durch die Zeit die entsprechenden Spuren abbekommen haben mag. Weit gefehlt, wir sind im Jahr 2016 mit der kleinen Reportage unterwegs. Erfolgte Bildbearbeitungen sind auch bei den folgenden Motiven immer angegeben.
Papier, irgendwo habe ich mal des Satz gehört: "Genial einfach, einfach genial!"
Ganz so einfach ist es aber doch nicht. Es gibt sehr gute, detaillierte Beschreibungen zur Papierherstellung im Netz
In meiner kleinen Bibliothek gibt es den Band "Das Buch vom Papier" von Armin Renker. Renker (1891-1961) stammte aus einer Papiermacherfamilie, war Papierforscher, und verfasste Standardwerke zur Papiergeschichte. Einen Satz aus diesem Werk, das "Vom Wesen und Werden des Papiers" berichtet, möchte ich hier zitieren:"Die Anlage einer Papiermühle stellte also eine Kulturleistung dar und wurde von Staats wegen gefördert durch Privilegien und sonstige Begünstigungen."
Der "Herr Papyrer", der Papiermacher, war eine angesehene Persönlichkeit.
2014 wurde die PM 02 noch einmal angefahren, ein Tambour mit dem damals produzierten Papier liegt noch auf einem Transportwagen neben der Maschine.
An einem Schaltschrank und der Lichtschranke war ersichtlich, dass die Maschine unter Strom stand, sie wäre einsatzfähig. Aber es lässt sich darauf kein Papier zum "Marktpreis" produzieren.
Der Papiermarkt wird von wenigen Konzernen weltweit beherrscht, die Masse an Papieren für den Druckbereich wird auf Maschinen mit bis zu 12 m Papierbreite und Geschwindigkeiten bis 2.000 m pro Minute gefertigt. Für kleine, unabhängige Papierfabriken bleiben nur noch Nischen:
Hochwertige Papiere, Spitzenqualitäten,
regionale Aktivitäten und hohe Umwelt-standards.
Sonst droht den kleinen Herstellern das,
was so mancher alten Papiermaschine schon geschehen ist:
Der Ruhestand als Industriedenkmal.
Vom "Stoff", der wässrigen Lösung mit nur 1 % Papierfaser, bis zum Rohpapier mit ca. 5-8% Feuchtigkeit, das am Ende der Papiermaschine auf den Tambour gewickelt wird, dauert es eine Minute.
Das Rohpapier wird auf der Streichmaschine veredelt und bekommt seine Druckeigen-schaften. Danach folgen die Schritte oder Schnitte der Ausrüstung: Kalander, Rollenschneider, Querschneider, Verpackung. Das Lager und die Logistik sorgen für die pünktliche Bereitstellung an die Druckerei.
Hier ist es noch einmal Zeit für ein herzliches Dankeschön an die Firma Scheufelen, dass mir die kleine Reportage für die Homepage ermöglicht wurde.