Anfang Januar 2014 bekam ich einen ganz persönlich geschriebenen Gruß in das Gästebuch: Eine Dame mit stolzen 90 Jahren ist auf die Bilder aus St. Michaelisdonn - und damit auf ihre eigenen Geschichte gestoßen. Ich habe von Frau Turner, die ab 1947 bis zu Ihrem Lebensende im Januar 2015 in England lebte, auch noch einige Zeilen per Mail erhalten, von denen ich einen Auzug zum Thema Fotografie hier gerne veröffentliche:
Eine Erinnerung aus meiner Kindheit:
Mein Vater fotografierte oft, viel und gerne. Nun stellen Sie sich mal vor, er kannte nur den großen Fotoapparat, der auf einem Stativ saß. Er zog mit uns Kindern los, (mein Bruder und mir) mit einem “Blockwagen”, worauf wir Kinder saßen. Unter uns lagen die Platten und das Stativ.
Wie modern ist die Welt während meiner 90 Lebensjahre geworden?
Heute besitzen wir eine kleine Digital Kamera. Es ist bewundernswert.
Dies musste ich unbedingt loswerden. :-)
Im Anhang der Nachricht waren mehrere Bilder, eines davon aus dem Februar 1927, für das ich Frau Herma Turner ganz herzlich Danke. Sie schreibt dazu:
Der Blockwagen, von dem ich schrieb. Mein Bruder als Pferdchen, mein Cousin als Kutscher und ich im Wagen sitzend. :-)))
Auch dieses Bild hat eine Geschichte, die mir Frau Turner als Antwort auf das oben eingestellte Kinderbild gemailt hat:
Lieber Herr Haas,
vielen Dank für Ihre prompte Antwort zu meiner Mail. Ich war angenehm überrascht, mein "kleines Werk" auf Ihrer Homepage zu sehen.
Den Namen für das Bild fand ich ideal:
Der Transportwagen für Kinder und Kamera.:-))
Ja, und jetzt bin nur noch ich am Leben. Mein Bruder, zwei Jahrer älter als ich, verstarb vor einem Jahr. Ich freue mich auch, dass das entzückende Kinderbild auf Ihrer Homepage weiterleben darf. Ich hätte noch ein Bild, welches ich Ihnen gerne überlasse, wenn Sie Interesse daran haben sollten. Eine Aufnahme aus anno dazumal.
Meine Eltern, beide gebürtige Hamburger wohnten zu der Zeit (1920) in Buenos Aires, Argentinien. Meine Mutter sitzt als junge Ehefrau auf der Bettkante und mein Vater fotografiert sie. Im Spiegel des Schrankes ist mein Vater zu sehen, wie er das Bild mit seinem großen Foto-Apparat aufnimmt.
Ich meine es würde in Ihre Sammlung passen. Diese alten Bilder hat mein Sohn gescannt.
Neben sehr persönlichen Dingen folgt noch ein Absatz, den ich mit großer Hochachtung einfügen möchte:
Zu meinem 90. Geburtstag schenkten meine Söhne mir einen Printer/Scanner. Nun sitze ich hier in meiner Study, umgeben von vielen Fotografien und lade sie alle auf meinen Computer. Alle schön in Folder und Subflolder, versehen mit Kennnummern und Daten.
(Das ist immer noch die deutsche Ordnung, die in mir lebt) :-))) Die Alben mit den Bildern stehen auch alle nummeriert im Schrank. Deshalb habe ich wohl auch so viel Verständnis für Ihr Werk.
Übrigens habe ich auch noch meine Agfa Box. Zu der Zeit hatten die Filme nur acht Bilder und nur schwarz/weiß. Ich habe über 20 Behälter mit je 36 Dias. Die sind auch schon alle auf meinem Computer. Wer holt schon jedes Mal den Dia-Projektor hervor und hängt die Leinwand auf?
Jetzt verabschiede ich mich für heute mit freundlichen Grüßen,
Herma Turner.
Frau Turner hat mir aus ihrem sehr bewegten Leben noch einige Episoden gemailt, es war sicher kein leichtes und unbeschwertes Leben. Das Schicksal hat die Kinder vom Blockwagen im Februar 1938 gemeinsam zur Konfirmation geführt. Das Bild vor Schloß Sancsoucis in Berlin ist ein schönes Beispiel für die Fotografie aus den 30er Jahren.
Und noch ein Zeitdokument von Frau Turner.
Es zeigt die Geschwister Herma und Hans-Jürgen Fahrnow mit einer Agfa-Box. diese hatte die spätere Frau Turner für eine vorbildliche Tat zu Kriegszeiten als Belohnung erhalten.
Das zeigt auch den Stellenwert der Agfa-Box, die sich wohl noch immer im Besitz von Frau Turner befindet.
Das sehr gut gelungene Doppelportrait ist fast schon eine Werbeaufnahme für die Agfa-Box!
Liebe Frau Turner,
genau für solche Geschichten ist diese Rubrik gedacht. Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeilen, für Ihre ganz persönlichen Zeitdokumente! Ich bewundere Ihren Schreibstil und Ihren Umgang mit der Technik.
Ihr Besuch der Homepage, Ihre Bilder und Erinnerungen sind für mich ein Geschenk, das ich in Ehren halten und Pflegen werde, versprochen...
Alles Liebe und Gute, Thomas Haas
Ergänzung:
Frau Turner hat mir Ihre ganz persönliche Geschichte, und auch die Geschichte Ihrer Vorfahren in zwei ausführlichen Mails geschildert. Einen Auszug möchte ich hier noch einstellen:
2. Ergänzung im Oktober 2014
Frau Turner hat mit ihrem Sohn Stuart das ganze Haus umgekrempelt um die alte Box-Kamera zu finden, die Kamera, die oben auf dem Bild von 1940 mit abgebildet ist. Es hat lange gedauert weil, wie könnte es anders sein, die letzte Schachtel war der Aufbewahrungsort!. Bei Frau Turner liest sich das so:
Lieber Herr Haas,
hier komme ich mal zwischendurch. Ich war mir ja ganz sicher, bei Turner geht nichts verloren ... Wie so oft, es war die letzte Box, die er (Anm.: gemeint ist der Sohn Stuart) geöffnet hat, wo drauf Stand "Games", also Spiele.
Nun aber zurück zu den Kameras. Ich sagte ja, wir hatten zwei davon. Eine davon gehörte meinem Mann. Erst jetzt, als ich sie mir wieder ansah bemerkte ich, dass die Kamera meines Mannes keine Agfa-Box ist, sondern einen "Balda-Frontbox"...
Nun hat die liebe Seele Ruh´. Jetzt haben wir sie endlich gefunden.
Herma Turner
Mein Dank geht an Stuart Turner für die Überlassung des Fotos!
3. Ergänzung im Januar 2015
Wie mir die Söhne Ian und Stuart Turner mitteilten, verstarb ihre Mutter Herma Turner nach einem langen und erfüllten Leben am Sonntag, dem 18. Januar 2015.
Es ist schön dass Frau Turner mir Ihre Geschichte noch erzählen konnte. Hier auf dieser Seite wird ein Teil davon noch für lange Zeit der Nachwelt erhalten bleiben.
Ich bin dankbar dafür, mit Frau Turner Kontakt gehabt zu haben, und nun Ihre Erinnerungen bewahren zu dürfen. Ich vebeuge mich vor Herma Turners Lebenswerk.
Nun hat die liebe Seele Ruh´...
Bellenberg, im Januar 2015, Thomas Haas
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Moin Thomas,
ich finde es äußerst dankenswert, daß Du diese wunderbare Geschichte veröffentlicht hast, leider bin ich erst jetzt beim Studium Deines letzten Journals drauf gestoßen.
Gruß, Rainer L. , Elbe-Weser-Dreieck
Lieber Thomas,
großartig Geschichte, fast schon herzzerreißend. Im meinem Alter schätzt man das Vergangene, die Erinnerungen, das Nostalgische.
Hilmar, Ulm
Sehr geehrter Herr Haas,
ich finde es fabelhaft, dass Sie einiges aus dem Leben von Frau Turner plus ihre historischen Fotos so schön präsentieren!
Veit Feger, Ehingen-Donau
Der Betreiber dieser Seite (Thomas, du bist gemeint ;)) kann wie ich weiß mittlerweile selbst auf einige Jahrzehnte Erfahrung im Bereich Fotografie zurückblicken. Bei Beiträgen aus den 1920er Jahren
ist jedoch auch er angewiesen auf die Informationen der vorangegangenen Generationen.
Das für diese Homepage zur Verfügung gestellte Material von Frau Turner zeigt uns nicht nur wunderschöne alte Erinnerungsfotos sondern lässt uns auch gleich an den dazugehörigen Geschichten
teilhaben. Zu jedem Foto gehört eben auch eine Geschichte, das war früher so und hat sich bis heute nicht verändert. Es sind gerade die Geschichten, die ein Bild so wertvoll machen.
Zudem erfahren wir hier wunderbare Details wie das war mit dem Fotografieren in den Anfängen. Kein anderer Beitrag als der von Frau Turner könnte besser passen, um dieses Forum zu eröffnen.
Viele Grüße, ganz besonders auch an Frau Turner.
Gaby E.